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.  Martin   -  2005-02-06 19:04:02

Im folgenden wird auf einige Details näher eingegangen, soweit Überschneidungen der Thematik von Gen 1 und Gen 2 vorliegen. Dadurch soll weiter verdeutlicht werden, wie beide Berichte einander ergänzen. Das in Gen 1 Geoffenbarte wird als Voraussetzung von Gen 2 gesehen. Das heißt: Was in Gen 1 bezeugt wird, muß in Gen 2 nicht unbedingt wiederholt werden.1

Gen 2,4 (Dauer der Schöpfung): Die Wendung "am Tage, da" ist hier nicht im Sinne eines realen Tages zu verstehen, sondern – wie die meisten Übersetzer es tun – mit "zur Zeit, als..." oder einfach mit "als..." wiederzugeben. Begründung: Im Gegensatz zu Gen 1 fehlen hier die Textmerkmale, die dort einen gewöhnlichen Tag zum Ausdruck bringen: Aufzählung der Tage sowie die Wendung "Abend und Morgen".

Gen 2,5-6 (Feuchtigkeit auf dem Land): Nach Gen 1 war die Erde zuerst mit Wasser umgeben, nach 2,5 fehlte Feuchtigkeit zunächst noch. Daraus folgt: In Gen 2,5ff. wird von der Erde nach der Scheidung von Wasser und Land gesprochen, als die Erdoberfläche aufgrund der Trennung von Wasser und Land trocken war und ohne regelmäßige Bewässerung ausgetrocknet bzw. trocken geblieben wäre. Wird also die Information aus Gen 1 vorausgesetzt, entsteht kein Widerspruch. Vermutlich gab es damals einen anderen Wasserkreislauf, als er heute (nach der Sintflut) verwirklicht ist. Gen 2,6 gibt also eine Bedingung für den Pflanzenwuchs an.

Gen 2,7 (Erschaffung des Menschen): Hier werden Details zur Erschaffung des Menschen mitgeteilt, die im Überblicksbericht Gen 1 fehlen. Ein Widerspruch liegt nicht vor. Es handelt sich um Ergänzungen.

Gen 2,4-8 (Reihenfolge Pflanzen – Mensch): Die Reihenfolge der Schöpfung von Pflanzen und Mensch scheint verschieden zu sein. Hier ist zunächst zu beachten, daß in Gen 2 gar nicht gesagt wird, daß der Mensch vor den Pflanzen erschaffen wurde. Man liest bei den üblichen Übersetzungen hinein, daß beim Erscheinen des ersten Menschen noch keine Vegetation vorhanden gewesen sei. Dieser Eindruck wird z. B. bei der Luther-Übersetzung erweckt:

4 Es war zu der Zeit, da Gott, der Herr, Erde und Himmel machte.
5 Und alle die Sträucher auf dem Felde waren noch nicht auf Erden, und all das Kraut auf dem Felde war noch nicht gewachsen; denn Gott, der Herr, hatte noch nicht regnen lassen auf Erden, und kein Mensch war da, der das Land bebaute,
6 aber ein Nebel stieg auf von der Erde und feuchtete alles Land.
7 Da machte Gott, der Herr, den Menschen aus Erde vom Acker und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase. Und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen.


Eine grundtextnahe Übersetzung erleichtert das richtige Verständnis (verändert nach Külling):

4 Für die Zeit, da Gott, der Herr, Erde und Himmel machte, gilt:
5 Es gab zunächst noch kein Gesträuch des Feldes auf der Erde und noch war kein Kraut des Feldes gesproßt,


[wann, wird nicht gesagt. Aufgrund der Vorgabe von Gen 1 muß es vor dem dritten Tag gewesen sein]

weil Gott, der Herr, noch nicht hatte regnen lassen auf die Erde, und weil es keinen Menschen gab, den Erdboden zu bebauen.
6 Da stieg Feuchtigkeit auf von der Erde und bewässerte die ganze Oberfläche des Erdbodens.


[Nun konnte die Vegetation wachsen]

7 Und Gott, der Herr, bildete den Menschen, Staub vom Erdboden, und hauchte in seine Nase Atem des Lebens und es wurde der Mensch eine lebende Seele.


[Nun konnte der Mensch den Ackerboden bebauen.]

Es wird deutlich, daß nichts darüber mitgeteilt wird, wann die Pflanzen geschaffen wurden. Mit der Information aus Gen 1 kann gesagt werden, daß sich das in Vers 5 – 6 Geschilderte vor der Erschaffung der Pflanzen am dritten Schöpfungstag abspielte.

In V. 6 wird dann eine Voraussetzung für den Pflanzenwuchs genannt: eine dauerhafte, geregelte Bewässerung (Feuchtigkeit aus der Erde).

In V. 7 wird anschließend (ohne Zeitangabe) die Erschaffung des Menschen geschildert, der die Pflanzen kultivieren soll (vgl. V. 5d und 15: "bebauen") – der Zusammenhang zielt deutlich auf die Kultivierung der Pflanzen ab, nicht nur auf ihr Wachstum (V. 8: "Garten"). Daß Pflanzen auch ohne menschliches Tun wachsen können, braucht nicht hervorgehoben zu werden.

In Vers 5 bis 7 geht es also um zweierlei: um den ursprünglichen Wasserkreislauf als Bedingung für den Pflanzenbewuchs und um diesen wiederum als Öko-Rahmen für den Menschen, der erschaffen wird. Sonst hätte Gott den Menschen in eine unbelebte Umgebung gesetzt, was eine wenig glaubhafte Auslegung wäre. Daß an dieser Stelle die Tiere noch nicht erwähnt werden, fügt sich gut in den in Gen 1,29f. erwähnten Umstand, daß sie ursprünglich keine Nahrungsgrundlage für den Menschen waren.

Gen 2,18ff. (Erschaffung der Tiere): Auch hier muß bedacht werden, daß die Erschaffung der Tiere gemäß dem Zeugnis von Gen 1 als bekannt vorausgesetzt wird. Dann ist klar, daß in 2,19 nicht die Erschaffung der Tiere geschildert, sondern auf die Tatsache ihrer Existenz verwiesen wird. Daher sollte mit dem Plusquamperfekt übersetzt werden. Das ist auch inhaltlich angemessen:

18 Und Gott der Herr sprach: Der Zustand, daß der Mensch mit sich allein ist, ist nicht gut. Ich werde ihm eine Hilfe schaffen, die ihm entspricht.
19 Und Jahwe-Herr hatte auch alle Tiere des Feldes und alle Vögel aus dem Erdboden geschaffen und brachte sie zum Menschen, um zu sehen, wie er sie nennen würde.


Im Hebräischen gibt es nur zwei Zeitformen. Der Kontext muß Klarheit geben, wie eine sinngerechte Übersetzung vorgenommen werden kann. Der Zusammenhang von Gen 1 bestätigt die obige Übersetzung.2



Bewertung von allgemeinen Unterschieden zwischen Gen 1 und Gen 2
An allgemeinen Unterschieden zwischen beiden Texten sind der unterschiedliche Gebrauch der Gottesnamen ("Elohim" in Gen 1, meistens "Jahwe-Elohim" in Gen 2) und unterschiedlicher Stil zu nennen. Viele Ausleger haben außerdem den Eindruck, daß verschiedene Schöpfungs- und Gottesvorstellungen zum Ausdruck gebracht würden.

Aufgrund von Unterschieden im Stil und in der Verwendung von Gottesnamen können jedoch nicht zwingend verschiedene Quellen postuliert werden. Der Wechsel von Gottesnamen wird jedoch auch in anderer Literatur beobachtet, ohne daß deshalb verschiedene Quellen vermutet werden. Gleiches gilt für Änderungen im Stil und für Wiederholungen (Pohl). Der bekannte Alttestamentler C. Westermann räumt ein, daß die einzelnen Textbeobachtungen, die für Quellenscheidung sprechen sollen, auch anders erklärt werden können, lediglich in ihrer Gesamtheit seien sie aussagekräftig.

Genesis 1,1-2,4a ELOHIM
Genesis 2,4b-3,24 JAHWE ELOHIM


Beispielhaft soll dies am Gebrauch des Gottesnamens erläutert werden: Der Wechsel des Gottesnamens ist zuerst im Verwendungszweck zu suchen. Für den Inhalt in Gen 1 ist Elohim der angemessenere Ausdruck, da dieser Name den Allerhöchsten in der Welt als Ganzes am Werk zeigt. Die Verwendung von "Jahwe" ("Ich bin der Ich bin") zeigt die Gegenwart Gottes dem Menschen gegenüber, weil es in Gen 2 um die Erschaffung des Menschen geht. Die Kombination Jahwe-Elohim in Gen 2 soll deutlich machen, daß Jahwe der Elohim ist, der die Welt erschuf und daß beide Namen denselben bezeichnen. Um gleichzeitig die Heiligkeit Gottes auszudrücken, war es offenbar wünschenswert, den Doppelnamen JahweElohim zu verwenden (McDowell.). Entsprechend der unterschiedlichen Aussageinhalte sollten auch die verschiedenen Gottesvorstellungen interpretiert werden.

Die Unterschiede zwischen Gen 1 und Gen 2 können also durch den jeweils verfolgten Zweck der Textabschnitte verstanden werden.